Warum Unternehmen wieder lernen müssen, Geschichten zu erzählen – und wie sie dadurch mehr bewirken können.
In einer Welt der Kommunikation ohne Verbindung
Es sind nicht zu wenige Informationen, die unsere Zeit prägen – sondern zu viele.Wir leben in einer Kultur des Mitteilens, aber nicht des Verstehens. Alles wird gesagt, aber kaum etwas erzählt. Die PowerPoint-Folie triumphiert über das gesprochene Wort. Das Mission Statement wird zum Poster in der Kantine.
Die Marke, das Produkt, die Idee – sie alle wollen „kommuniziert“ werden. Aber verstanden? Gefühlt? Erlebt? Und hier kommt eine alte, beinahe vergessene Fähigkeit zurück ins Spiel: Storytelling. Nicht als Trend, sondern als anthropologische Konstante. Nicht als Marketing-Gimmick, sondern als strategischer Hebel für Relevanz, Vertrauen und Wirkung. Was Geschichten leisten – und Daten nicht können
Daten erklären. Geschichten bedeuten. Zwischen Zahl und Wirkung liegt eine Lücke – und genau in dieser Lücke entsteht die Macht des Narrativen. Denn Menschen denken nicht in Bulletpoints. Sie erinnern sich nicht an Argumente – sondern an Situationen. Nicht an Charts – sondern an Wendepunkte.
Warum? Weil unser Gehirn evolutionär auf Erzählmuster geeicht ist. Geschichten verknüpfen Informationen mit Emotionen, Kontext mit Bedeutung, Menschen mit Menschen. Sie beantworten nicht nur die Frage „Was ist?“, sondern auch „Warum ist das wichtig?“
Das ist der Grund, warum ein Meeting mit zehn PowerPoint-Slides schneller vergessen ist als ein Gespräch über den ersten beruflichen Misserfolg. Oder warum wir uns an einen Werbespot erinnern, in dem ein Kind seinem Grossvater das Smartphone erklärt – aber nicht an das technische Datenblatt des Geräts.
Storytelling ist kein Stilmittel – es ist ein Strukturmittel
Wer Storytelling mit einer netten Verpackung verwechselt, greift zu kurz. Eine Geschichte ist keine Ausschmückung, sondern eine Form des Denkens.Und genau deshalb lässt sich Storytelling in verschiedenste Kontexte übertragen:
- In die Markenführung: Die Marke wird nicht erklärt, sondern erzählt. Sie bekommt eine Biografie, ein Narrativ, das Sinn stiftet. Was treibt sie an? Was war ihr Scheitern, was ihr Wendepunkt?
- In die interne Kommunikation: Eine Strategie ist dann überzeugend, wenn sie in ein grösseres Bild eingebettet ist: Was war? Was steht bevor? Was wird möglich? Führungskräfte, die erzählen können, schaffen Orientierung, wo Excel-Dateien nur Rechtfertigung liefern.
- In den Vertrieb: Produkte überzeugen nicht durch Features, sondern durch den Moment, in dem jemand sagt: „Genau das ist mein Problem – und so könnte es sich lösen.“ Eine gute Vertriebsstory ist keine Show – sondern ein Spiegel.
- In die Transformation: Veränderung ist nichts anderes als ein narrativer Bruch: Die bisherige Geschichte funktioniert nicht mehr – eine neue muss erzählt werden. Storytelling wird hier zum Vehikel, das Wandel nicht nur verkündet, sondern begehbar macht.
Elemente guter Geschichten – jenseits der Heldenreise
Die Heldenreise zum Beispiel ist ein mächtiges Framework. Aber Storytelling ist mehr als ein Modell – es ist ein Werkzeugkasten, dessen Elemente je nach Kontext unterschiedlich zusammenspielen. Ein paar universelle Bausteine kommen meistens vor:- Konflikt: Keine Geschichte ohne Spannung. Menschen hören dann zu, wenn ein Problem im Raum steht. Konflikt ist nicht negativ – er ist der Motor der Erzählung.
- Figur: Ob Kunde, Gründerin oder Projektleiter – eine Geschichte braucht eine Hauptfigur, die menschlich ist. Keine Marke wird geliebt, weil sie perfekt ist. Sondern weil sie etwas will und etwas riskiert.
- Kontext: Gute Geschichten verorten sich. Sie beantworten: Wo passiert das? Wann? Warum ist das jetzt wichtig? Das macht sie glaubwürdig – und relevant.
- Wendung: Etwas muss sich verändern. Ohne Transformation bleibt alles Behauptung. Die Wendung – ob Erkenntnis, Misserfolg oder Neubeginn – ist der Moment, in dem Bedeutung entsteht.
- Botschaft: Die beste Geschichte bleibt wirkungslos, wenn sie nicht auf etwas Grösseres hinausläuft. Was bleibt hängen? Was wird anders? Die Moral der Geschichte ist kein Zitat – sondern ein Gefühl.
Die falschen Mythen über Storytelling
Es gibt ein paar populäre Irrtümer, die dem Storytelling leider die Tiefe rauben:- „Storytelling ist Unterhaltung.“ Nein – es ist Struktur. Und zwar eine, die emotionales Verstehen möglich macht. Unterhaltung ist ein Nebeneffekt, nicht das Ziel.
- „Gute Geschichten brauchen Dramaturgen.“ Falsch. Jeder Mensch erzählt Geschichten – jeden Tag. Storytelling ist keine Kunstform, sondern eine Fähigkeit, die kultiviert werden kann.
- „Das funktioniert nur im B2C.“ Auch falsch. Gerade im B2B ist es entscheidend, komplexe Leistungen so zu erzählen, dass der Nutzen nicht erklärt, sondern erlebt werden kann.
Storytelling ist nicht alles – aber alles braucht eine Story
Vielleicht ist das grösste Missverständnis über Storytelling, dass es ein separater Bereich sei – neben Strategie, Kommunikation, Vertrieb, HR. Dabei ist es kein Extra, sondern ein unterliegendes Prinzip. Denn jede Kommunikation, ob bewusst oder unbewusst, erzählt bereits eine Geschichte. Die Frage ist nur: Willst du sie dem Zufall überlassen – oder bewusst gestalten?Fazit: Die Rückkehr der Erzählung
In einer Wirtschaft, die sich immer stärker über Beziehungen, Identität und Sinn definiert, wird Storytelling zur ökonomischen Schlüsselkompetenz. Nicht als Alternative zu Strategie – sondern als deren Träger. Wer gut erzählt, gewinnt nicht nur Aufmerksamkeit, sondern Vertrauen. Und in Zeiten, in denen Informationen billig sind, ist Vertrauen die teuerste Währung. Deshalb: Erzähl besser. Aber vor allem: Erzähl bewusst.
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