Im Schatten des Helden (Teil 2)

David Kaspar
David Kaspar
Mittwoch, 25. Juni 2025
Klarheit in Zeiten des Lärms – Markenkommunikation im Zeitalter der Reizüberflutung
Dieser Beitrag ist Teil der Blogreihe
«Donald Millers „StoryBrand“-Prinzip»

Wenn der erste Teil dieser Serie gezeigt hat, warum der Kunde zum Helden und das Unternehmen zum Mentor werden muss, so stellt sich nun die nächste grosse Frage: Wie funktioniert wirksame Kommunikation im digitalen Zeitalter überhaupt noch? Zwischen algorithmischem Rauschen, medialer Dauerberieselung und schrumpfender Aufmerksamkeitsspanne ist nicht nur die Botschaft in Gefahr, sondern der Sinn selbst. Teil 2 widmet sich der Rolle der Marke als Mentor, der Haltung hinter der Geschichte – und der Herausforderung, in einer Welt voller Ablenkung Resonanz zu erzeugen statt Reiz. Der Höhepunkt dieses zweiten Teils ist eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Ökonomie der Aufmerksamkeit, ihren kulturellen und kommunikativen Folgen – und dem ethischen Potenzial des StoryBrand-Ansatzes.

Mentoren statt Missionare: Die Demut der Marken

Diese Umkehrung der Rollenverteilung – Kunde = Held, Unternehmen = Mentor – ist weit mehr als ein rhetorischer Kniff. Sie verändert das Selbstverständnis von Marken.

Ein Mentor ist empathisch, erfahren, ruhig. Er will nicht glänzen, sondern führen. IKEA hat das begriffen. Die Marke erzählt keine Produktgeschichten, sondern Lebensgeschichten. Die Möbel sind Nebendarsteller – die Bühne gehört der Realität ihrer Kunden. Das Gegenbeispiel: Peloton, das sich in einer kontroversen Kampagne selbst in den Mittelpunkt stellte – mit einem Mann, der seiner Frau ein Fitnessgerät „schenkt“, als sei das Produkt die Erlösung. Die Kritik kam prompt. Denn der Held war hier falsch besetzt.

Die Ökonomie der Aufmerksamkeit

Von der Überforderung des Bewusstseins zur Sehnsucht nach Bedeutung

Wir leben in einer Welt, in der Aufmerksamkeit zur meist umkämpften Ressource geworden ist – knapper als Öl, kostbarer als Gold. Die moderne Ökonomie ist keine Industrie des Bedarfs mehr, sondern eine Industrie der Aufmerksamkeitserzeugung. Und nie zuvor in der Geschichte der Kommunikation war die Differenz zwischen „gehört“ und „gesehen“ so radikal – und so entscheidend – wie im Zeitalter digitaler Algorithmen.

Die algorithmische Reizüberflutung als Prinzip

Die Reizüberflutung ist dabei kein Nebeneffekt, sondern Systemprinzip. Die Plattformen, auf denen sich heute nahezu jede Markenkommunikation abspielt – von Instagram über LinkedIn bis TikTok – operieren nicht mit dem Ziel, Bedeutung zu vermitteln, sondern Interaktion zu maximieren. Die Metriken dieser Welt heissen „Verweildauer“, „Scrolltiefe“, „Engagement Rate“. Und diese Metriken belohnen nicht Relevanz, sondern Reiz. Was nicht klickt, wird nicht gezeigt. Was nicht provoziert, wird nicht beachtet. Was nicht innerhalb von 1,5 Sekunden verstanden wird, verschwindet – ins algorithmische Vergessen.

 

Das hat tiefgreifende Folgen. Denn in dieser Aufmerksamkeitsökonomie entsteht ein strukturelles Paradox: Während immer mehr Marken immer intensiver kommunizieren, wird die Wahrnehmung ihrer Botschaften immer flüchtiger. Es ist ein Spiel der Lautstärke, in dem am Ende nur noch Stille bleibt. Das Publikum wird nicht mehr informiert, es wird überschüttet – mit Bildern, Slogans, Call-to-Actions, Claims, Clips, Versprechen, Witzchen, Weltverbesserung.

Von der Reizlogik zur Resonanzlogik

Wer zu viel redet, wird irgendwann nicht mehr gehört. Und wer ständig präsent ist, verliert an Präsenz. Donald Millers Ansatz gewinnt vor diesem Hintergrund eine fast schon philosophische Bedeutung. Denn sein Modell stellt eine Gegenbewegung dar: Weg von der Reizlogik, hin zur Resonanzlogik. Wer den Kunden als Helden begreift, beginnt nicht mit dem Senden, sondern mit dem Zuhören. Er fragt nicht: „Was kann ich sagen, damit du mich bemerkst?“ – sondern: „Was bewegt dich, und wie kann ich Teil dieser Bewegung werden?“ Es ist ein Perspektivwechsel von der Quantität zur Qualität, von der Frequenz zur Tiefe. Diese Form von Kommunikation setzt auf Klarheit – nicht als Reduktion, sondern als Verdichtung. Sie nimmt Rücksicht auf die kognitive Überforderung des Gegenübers. Sie respektiert die Begrenztheit der mentalen Energie, mit der Menschen täglich durch das Mediengewitter navigieren. Und sie antwortet nicht mit noch mehr Noise, sondern mit Signal, mit Orientierung durch Klarheit.

Klarheit ist ein Akt der Fürsorge!

In einer Kultur der permanenten Reizbelastung entsteht so eine neue Form von Relevanz: die Relevanz durch Struktur, durch Sinn, durch Anschlussfähigkeit. Marken, die die sieben Stationen der Heldenreise durchdeklinieren, liefern keine Informationshäppchen – sie liefern ein Narrativ. Und genau das ist es, was unser fragmentiertes Bewusstsein sucht: Nicht die nächste Information, sondern einen sinnvollen Rahmen, in dem Informationen überhaupt wieder Gewicht bekommen können. Diese Haltung ist mehr als Strategie. Sie ist fast schon eine ethische Positionierung: Gegen die Verrohung des Visuellen, gegen die instrumentelle Verkürzung des Zwischenmenschlichen, gegen die Entwertung des Dialogs. Marken, die sich auf echte Narrative einlassen, betreiben kulturelle Rekonstruktion in einem Zeitalter der Dauerverwirrung. Sie entscheiden sich – bewusst – gegen den algorithmischen Reflex, überall gleichzeitig zu sein. Und sie setzen stattdessen auf das, was in der digitalen Dauerpräsenz das seltenste Gut geworden ist: Verständlichkeit, Geduld, Tiefe.

Fazit

Die Renaissance des Sinns

Vielleicht ist Donald Millers Werk in Wahrheit gar kein Marketingbuch! Vielleicht ist es ein philosophischer Kommentar zur Gegenwart – und zur Art und Weise, wie wir Bedeutung erzeugen. Es geht nicht nur darum, wie Unternehmen kommunizieren, sondern wozu. Nicht um Sichtbarkeit, sondern um Anschlussfähigkeit. Nicht um Reichweite, sondern um Resonanz. Marken, die die sieben Stationen der Heldenreise ernst nehmen, gewinnen nicht nur Kunden. Sie gewinnen Vertrauen – und damit die rare Währung des digitalen Zeitalters: Aufmerksamkeit mit Tiefe. Und vielleicht, ganz vielleicht, entdecken Unternehmen dabei auch etwas über sich selbst: Dass sie in einer Welt der lauten Selbstdarstellung am meisten erreichen, wenn sie bereit sind, einen Schritt zurückzutreten – und anderen dabei helfen, ihre eigene Geschichte zu schreiben.

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